Erzeugt, aber nicht eingespeist: Wie der schleppende Netzausbau die Energiewende ausbremst

Wir schreiben das Jahr 2023. Ein klarer, sonniger Tag im Frühjahr. Auf der Nordsee weht ein gleichmäßiger Wind von 12m/s (Windstärke 6). Die See beginnt langsam wellig zu werden, erste Wellenkämme brechen und weißer Schaum bildet sich an der Oberfläche. Die Windenergieanlagen des Trianel Windpark Borkum drehen sich konstant und erzeugen 200 MW/h Strom. Fossile Kraftwerke werden nicht benötigt, denn die Erneuerbaren-Anlagen erzeugen ausreichend grünen Strom. Offshore-Windparks leisten einen entscheidenden Beitrag zur Stromproduktion, die Energiewende ist gelungen…

Moment mal… die Geschichte hat einen Schönheitsfehler. Denn der erzeugte Offshore-Strom muss auch an Land und weiter in die großen Verbrauchszentren, vornehmlich im Süden der Republik, transportiert werden. Und da ist der Haken.

Für den Transport des klimafreundlichen Stroms sind Netze notwendig, vor allem in Richtung Süden, wo es nach dem Abschalten der Kernkraftwerke an Erzeugungskapazitäten fehlt. Das bestehende Netz reicht nicht aus, um den gesamten Offshore-Wind-Strom dorthin zu transportieren. Die Windenergieanlagen auf der Nordsee produzieren also Strom, aber dieser findet nur bedingt den Weg zu den Abnehmern.

Dieses Problem wurde bereits vor Jahren erkannt und jede Bundesregierung drängt auf einen schnelleren Netzausbau. Lange Genehmigungsverfahren, Proteste aus der Bevölkerung, Hürden aufgrund des Umwelt- und Artenschutzes machen die Vorhaben zeitintensiv und aufwendig. Die aktuelle Ampelregierung hat sich ambitionierte Ziele gesetzt und mit verschiedenen Gesetzesvorhaben Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus vorgegeben. Aber bis diese greifen, wird noch einige Zeit vergehen.

Doch was passiert mit dem Strom, den Offshore-Windparks wie der Trianel Windpark Borkum produzieren, der aber aufgrund von Engpässen nicht ins Netz eingespeist werden kann? Hier kommt das sogenannte Einspeisemanagement / Redispatch 2.0 zum Zuge: Die Anlagen werden abgeregelt, speisen also keinen oder deutlich weniger klimafreundlichen Strom ins Netz. Die Betreiber der abgeregelten Erneuerbaren-Anlagen haben im Gegenzug Anspruch auf eine Entschädigung. Damit sollen die Investitionen in Erneuerbare Energien abgesichert werden. Diese Entschädigungszahlungen werden wiederum über die Netzentgelte auf alle Stromverbraucher umgelegt. Im Umkehrschluss heißt das: Der langsame Netzausbau verursacht zusätzliche Kosten, die von allen Verbrauchern zu tragen sind.

In Zahlen bedeutet dies:

Im Jahr 2021 erhielten Energieversorger eine Rekordsumme von rund 807 Millionen Euro für 5.800 GWh Strom, der nicht ins Netz eingespeist werden konnte. Das berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK)

2020 hatte die Entschädigungssumme bei 761 Millionen Euro gelegen, 2018 waren es 635 Millionen Euro und 2016 rund 373 Millionen Euro. Die hohen Zahlen aus dem Jahr 2021 erstaunen umso mehr, als in den vergangenen Jahren nahezu kein Zubau von Offshore-Windkraftanlagen erfolgte und das Windaufkommen zudem unter dem Durchschnitt der Vorjahre lag.

Es ist offensichtlich: Wenn die Energiewende gelingen und finanzierbar bleiben soll, ist ein schneller Netzausbau von Nöten. Hier ist die Politik gefordert, die neuen Rahmenbedingungen umgehend abzubilden, das Investitionsklima zu optimieren und dem Grundsatz des „überragenden Interesses und der öffentlichen Sicherheit“ und der „besonderen Bedeutung“ der Erneuerbaren Energien Nachdruck zu verleihen.

Doch ist es überhaupt sinnvoll, den Strom über mehrere hundert Kilometer zu transportieren? Gibt es eine Alternative?

Das Zauberwort in diesem Zusammenhang lautet: Wasserstoff. Mithilfe eines sogenannten Elektrolyseurs kann aus Strom Wasserstoff hergestellt werden. Vor allem in der chemischen Industrie oder bei der Stahlproduktion soll Wasserstoff mittelfristig fossile Rohstoffe ersetzen. Wird er aus Erneuerbaren Strom produziert, spricht man von grünem Wasserstoff – und ist damit klimaneutral. Grüner Wasserstoff ist ein wichtiger Faktor bei der Dekarbonisierung.

Das Ferngasnetz ist bereits heute in der Lage, bis zu 20 % Wasserstoff aufzunehmen. Es kann also auf eine bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden, die wir mit nutzen sollten.

Die Vorteile hat auch die (alte) Bundesregierung erkannt und bereits 2020 eine nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Diese sieht unter anderem vor, dass 2030 bis zu fünf Gigawatt Leistung aus On- und Offshore-Wind für die Erzeugung grünen Wasserstoffs sorgen sollen.

Es wäre also absolut sinnvoll, die Windenergie und den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft zusammen zudenken, damit der zeitweise überschüssige Strom endlich überall nutzbar wird. Dies würde auch zu der dringend benötigten Effizienz des Systems beitragen. Für die Dekarbonisierung sind große Mengen Wasserstoff nötig. Diese zu produzieren, dafür sind Offshore-Windparks prädestiniert.

Wie die gesamte Branche schauen auch wir daher gespannt nach Berlin, denn die Ampel-Regierung hatte schon für 2022 eine Fortschreibung der nationalen Wasserstoffstrategie angekündigt.

Wir blicken derweil weiter auf unsere Windräder auf der Nordsee und hoffen auf schnelle Antworten aus der Politik, damit alle von dem klimaneutralen Strom von der Nordsee profitieren.