Beschleunigter Ausbau der Offshore-Windenergie durch das Wind-auf-See-Gesetz?

1.501 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 7,8 GW drehen sich nach Angaben des BWO derzeit in der deutschen Nord- und Ostsee und produzieren jährlich rund 26 TWh klimafreundlichen Strom. Doch um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen und der Energiewende den entscheidenden Schub zu geben, ist das noch viel zu wenig.

Die Ampelkoalition hat es sich daher zum Ziel gesetzt, den Ausbau der Windenergie auf See zu beschleunigen, und bereits in ihrem Koalitionsvertrag eine erhebliche Steigerung der Kapazitäten vereinbart. Bis 2030 soll die installierte Leistung auf mindestens 30 GW erhöht werden, bis 2035 auf 40 GW und bis 2045 auf 40 GW.

Dies sind ambitionierte Ziele, denn bei dem Bau eines Offshore-Windparks handelt es sich um ein komplexes Großprojekt, das Milliarden-Investitionen erfordert und höchste Ansprüche an Natur- und Umweltschutz stellt. Trianel hat gemeinsam mit 33 überwiegend kommunalen Gesellschaftern Pionierarbeit geleistet und 2015 mit dem Trianel Windpark Borkum den ersten rein kommunalen Windpark in der Nordsee in Betrieb genommen.

Für die Beschleunigung des Ausbaus der Offshore-Windenergie hat die Bundesregierung in ihrem sogenannten Osterpaket die Rahmenbedingungen festgelegt. Im Juli 2022 ist die Novelle des „Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (WindSeeG) verabschiedet worden, es tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.

Neben der Anhebung der Ausbauziele sieht das Gesetz weitreichende Maßnahmen vor, die insbesondere das Ausschreibungsdesign von Flächen und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren betreffen.

Das Gesetz unterscheidet nun zentral voruntersuchte und nicht zentral voruntersuchte Flächen, für die unterschiedliche Ausschreibungskriterien gelten.

Zentral voruntersuchte Flächen

Seit 2017 nimmt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die zentrale Voruntersuchung von Flächen in der Nord- und Ostsee für die Errichtung und den Betrieb von Windenergie auf See vor. Hierzu werden Meeresumwelt, Baugrund, Wind- und ozeanographische Verhältnisse sowie die verkehrliche Eignung des Gebietes untersucht und die Eignung der Fläche für die Errichtung eines Offshore-Windparks festgestellt. Dies sind nun die zentral voruntersuchten Flächen.

Im nächsten Schritt findet eine Ausschreibung durch die Bundesnetzagentur statt. Hier gibt der Bieter künftig ein Gebot ab, das seine Zahlungsbereitschaft für die ausgeschriebene Fläche widerspiegelt.

Neben der Höhe des Gebotswerts sollen weitere qualitative Kriterien über den Zuschlag innerhalb einer zentral voruntersuchten Fläche entscheiden. Hierzu gehören der Beitrag zur Dekarbonisierung, der Umfang der Lieferung von auf der ausgeschriebenen Fläche erzeugter Energie, die Schallbelastung und Versiegelung des Meeresbodens durch die Gründungsstruktur und der Beitrag zur Fachkräftesicherung.

Der Projektierer, der in diesem Verfahren die meisten Kriterien erfüllt, soll dann den Zuschlag erhalten, und kann den Offshore-Windpark bauen.

Bei diesen zentral voruntersuchten Flächen soll künftig das Planfeststellungsverfahren entfallen und durch ein zügigeres Plangenehmigungsverfahren ersetzt werden. Damit soll der Bau des Offshore-Windparks beschleunigt werden.

Nicht zentral voruntersuchte Flächen

Standen in der Vergangenheit nur zentral voruntersuchte Flächen für Offshore-Windparks zur Verfügung, werden ab 2023 auch nicht zentral voruntersuchte Flächen ausgeschrieben, um so das Flächenangebot zu erhöhen.

Für diese Flächen sieht die Ausschreibung durch die Bundesnetzagentur vor, dass interessierte Projektierer Gebote unter Angabe der für die notwendigen staatlichen Förderung, der sogenannten Marktprämie, abgeben. Dieses Marktprämienmodell galt in der Vergangenheit für die zentral voruntersuchten Flächen und findet nach der Novelle des WindSeeG nun Anwendung auf die nicht zentral voruntersuchen Flächen. Zusätzliche qualitative Kriterien werden nicht gefordert.

Ziel des Marktprämienmodells ist es, den Zuschlag an den Bieter mit dem niedrigsten Gebotswert zu vergeben. In der Vergangenheit hat dies dazu geführt, dass auch Gebote mit 0 ct/kWh eingereicht wurden.

Nach dem neuen WindSeeG gilt für den Fall mehrerer abgegebener 0-Cent-Gebote ein dynamisches Gebotsverfahren mit mehreren Gebotsrunden und ansteigenden Gebotsstufen. Der Bieter soll nun Gebote für die eigene Zahlungsbereitschaft einer zweiten Gebotskomponente abgeben. Damit soll der Überbietungswettbewerb beschränkt werden.

Dieses dynamische Gebotsverfahren führt die Bundesnetzagentur so lange durch, bis nur noch höchstens ein Bieter innerhalb der Gebotsabgabefrist der Gebotsstufe zustimmt. Dieser erhält dann den Zuschlag und kann den Offshore-Windpark realisieren.

Wie geht es weiter?

Ob das neue Ausschreibungsdesign für Stromerzeugung auf hoher See tatsächlich zu einem vermehrten und beschleunigten Ausbau der Offshore-Windenergie führen wird, bleibt abzuwarten.

Bei zentral voruntersuchten Flächen muss der Offshore-Windparkbetreiber künftig Zahlungen leisten, um den Windpark realisieren zu können. Eine staatliche Förderung dieser kostenintensiven Bauvorhaben ist nicht mehr vorgesehen.

Da bereits in der Vergangenheit im Rahmen des Marktprämienmodells 0-Cent-Gebote abgegeben wurde, darf damit gerechnet werden, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird. Dies hätte zur Folge, dass auch bei nicht zentral voruntersuchten Flächen die Zahlungsbereitschaft des Bieters über den Zuschlag entscheidet.

Das WindSeeG macht es in der aktuellen Form für kommunale Akteure kaum möglich, an der Offshore-Windkraft zu partizipieren. Hier wird das Ausschreibungsdesign im schlechtesten Fall zu einem Wettbieten führen, welches durch die risikoreichsten Einsätze gewonnen wird.

Die jahrelang geforderte Akteursvielfalt auf hoher See wird damit konterkariert.